Studium
Mit der Auszeichnung «Primus omnium» (Erster von allen) entlassen, nahm er mit Birmann zusammen das Studium der Theologie an der Universität Basel auf, freilich nicht ohne vorausgegangene Gewissenskämpfe. «Denn seinem keuschen Gefühl erschien die Erörterung der Herzenstiefen und der heiligsten Gedanken als eine Profanation des innersten Heiligtums» (Birmann). Der Zwiespalt zwischen Kopf und Gefühl, zwischen Verstand und Offenbarung sollte ihm zeitlebens zu schaffen machen. So glaubte er nach dem ersten Universitätsjahr aus inneren Zweifeln heraus, sein Studium nicht weiterführen zu können, und absolvierte in aller Stille das Primarlehrerexamen in Liestal, um möglicherweise in die Fussstapfen des Vaters zu treten. Da war es aber wiederum Kettiger, der die Weiche stellte und ihn zur Fortsetzung des Theologiestudiums ermutigte. – Sein Lieblingsprofessor war Karl Rudolf Hagenbach (1801–1874), nicht nur wegen seiner undogmatischen Sicht, sondern auch wegen seiner menschlichen Wärme und darum, weil er wie Wackernagel grossen Anteil an Breitensteins poetischem Schaffen nahm. Dieser blieb ihm bis zum Lebensende dankbar und freundschaftliche verbunden, was u.a. aus zwei schönen mundartlichen Glückwunschgedichten hervorgeht (zuletzt abgedruckt im Basler Jahrbuch 1935, kommentiert von Ernst Jenny). – Seinen Unterhalt während der Pädagogiumszeit und während der der ersten beiden Universitätssemester bestritt er zur Hauptsache mit dem Erteilen von Privatstunden. Im April 1851 bezogen die Freunde Birmann und Breitenstein die Georgia Augusta-Universität in Göttingen, wo der Hauptanziehungspunkt für angehende Theologen die Vorlesungen und Übungen des damals weit bekannten Exegeten Gottfried Christian Friedrich Lücke (1791–1855) waren, der die Einheit von Glaube und Wissenschaft vertrat, was Breitenstein besonders ansprechen musste. Nach einer ausgedehnten Reise durch Deutschland kehrten die Freunde in die Heimat zurück, und Breitenstein bestand mit Auszeichnung das theologische Schlussexamen, worauf er im Herbst 1852 in Binningen zum Pfarrer gewählt wurde – als einer der ersten Baselbieter, die in Baselland ein solches Amt bekleideten.
Rudolf Suter: Unvergessene Basler Dichter, Basel: GS-Verlag, 1992, S. 10―11.
Vorlesungen Basel:
Jacob Burckhardt: Christliche Kirchenarchäologie
Friedrich Fischer: Psychologie; Religionsphilosophie; Naturgeschichte des Menschengeschlechtes; Geschichte der neueren Philosophie (ergo Handschrift „Logik“)
Karl Rudolf Hagenbach: Kirchengeschichte (Anfang Reformation bis Anfang 19. Jahrhundert); Neuere Kirchengeschichte; Kirchengeschichte des Mittelalters; Dogmengeschichte; homiletische Conversation, homiletische Übungen, Conversatorium über die Helvetische Confession
J. C. C. Hofmann: Leidensgeschichte der 4 Evangelisten
Johann Georg Müller: Katholische Briefe; Apostelgeschichte des Lukas; Hebräerbrief; Geschichte der polytheistischen Religionen
Daniel Schenkel: Biblische Dogmatik; Römerbriefe; Praktische Exegese ausgewählter Psalmen; Kirchliche Dogmatik; Erklärung der Colosser, Epheser, Philipper u. 1. Thessal. Briefes, homiletische und dogmatische Übungen
Johann Jakob Stähelin: Einleitung über die harmonischen Bücher des A.T.; Jesajas 40-66
Wilhelm Vischer: Auserlesene Oden des Pindar
Wilhelm Wackernagel: Poetik; Rhetorik; Stylistik; Germanische Altertümer; Geschichte des deutschen Dramas;
Franz Dorotheus Gerlach: Horaz, Juvenal Saturae [Satiren], betreffende Interpretors- und Diskutier-Übung
Vorlesungen Göttingen:
Friedrich Lücke: Dogmatik; Christliche Ethik; Synopsis
Friedrich Ehrenfeuchter: Praktische Theologie; Religionsphilosophie; Kirchliche Statistik
Ernst R. Redepenning: Homiletisches Seminar